THEMENSCHWERPUNKT 2024
Seit 24 Jahren ist es das Ziel unseres Festivals, die Kunst der Montage und ihre Protagonist*innen sichtbar zu machen und den Anliegen des Berufsstands der Editor*innen Gehör zu verschaffen. In verschiedenen Ausprägungen des Berufs, über Montage-Generationen hinweg und hinein in andere Gewerke möchten wir den Diskurs über Filmschnitt anstoßen und Netzwerke befördern – nicht zuletzt hat sich aus dem ersten International Filmeditors Forum (IFEF) bei unserem Festival der editorische Dachverband TEMPO gegründet.
So verwundert es wohl kaum, dass der Edimotion-Fokus „Der historische Schnitt“ nicht die Geschichte der Montage von der Moviola 1924 über die Flachbett-Schneidetische in den 1950er Jahren hin zur Ablösung des analogen Schnitts durch den Avid in den frühen 1990-Jahren mitsamt folgendem Wettlauf weiterer digitaler Schnittprogramme wie Premiere Pro, Final Cut und DaVinci Resolve nachzeichnet, sondern den Blick auf strukturelle und wesensprägende Aspekte des Berufs Editor*in richtet - etwa auf die historische Rolle der Frau in diesem Gewerk, das von Beginn an und verstärkt in Nachkriegszeiten zentral von der „Woman with an Editor Bench“ (Karen Pearlman) geprägt wurde, der ebenso häufig die Anerkennung anderer, eher männlich geprägter Filmgewerke, versagt blieb. Dem Zusammenspiel von Wahrnehmung, Theorie und Praxis, den nachhaltigen Einflüssen bestimmter Reflexionen und „Sichtbarmachungen“ von editorischen Positionen spüren wir gemeinsam mit unserer diesjährigen Ehrenpreisträgerin Gabriele Voss nach: Wie haben die Schnitte in Raum und Zeit Konzeption und Inhalte von Studiengängen beeinflusst, in welchen Bereichen besitzen sie ungebrochene Relevanz für die aktuelle Generation junger Editor*innen? Und passend zum 40sten Jubiläum des Bundesverbands Filmschnitt Editor e.V (BFS) diskutieren Vertreter*innen der Berufsverbände Fragen rund um Urheberrecht, Arbeitsbedingungen und Sichtbarkeit von Editor*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie neue Herausforderungen im Zuge der voranschreitenden Entwicklungen im Bereich KI.
Denn auch wenn unser Festival im Veranstaltungsbereich weltweit Vorreiter in Sachen Montagedialog war, haben natürlich auch wir ganz zentral auf den Bemühungen anderer aufgebaut, wurden besonders in der Gründungsphase maßgeblich von in Netzwerken engagierten Editor*innen unterstützt. Und nach wie vor profitieren wir in jedem Jahr erneut von Expertise und Engagement unserer Partner und Partnerinnen in den Berufsverbänden. In diesem Sinne sagen wir mit unserem diesjährigen Themenschwerpunkt auch einmal ganz herzlich „Danke, liebe Schnittfamilie“!
Der Themenschwerpunkt wird unterstützt von KölnBusiness.
Hidden Stars - Women's Influence in Editing Revolutions
Gäste: Angelika Lepper, Karen Pearlman
Wie viele revolutionäre Entwicklungen im Kino sind dem Einfluss von Editorinnen zuzurechnen – weitgehend unbekannten, hinter den Namen von Regisseuren verschwindenden Frauen? Könnten nicht in der Stummfilmzeit die Ideen seiner Editorin Rose Smith die vermeintlich von D.W. Griffith geschaffene „Filmische Grammatik“ geprägt haben? Ist Dziga Vertovs Mann mit der Kamera (1929) nicht eigentlich Elizaveta Svilovas „Frau mit dem Schneidetisch“ und damit ihre editorischen Innovationen wesensbildend für die Filmgeschichte? Während Film und Mann gewürdigt und gelehrt werden, haben die Editorinnen nicht einmal eigene Wikipedia-Einträge. Und wurden nicht die Filme der als „Retter Hollywoods“ gefeierten, eher unerfahrenen Regisseure George Lucas, Steven Spielberg und Martin Scorcese ihrerseits allzu oft von den Editorinnen gerettet, sind Verna Fields, Marcia Lucas, Thelma Schoonmaker damit nicht die eigentlichen Heldinnen New Hollywoods? Die Regisseure jedenfalls haben das erkannt und oft auch gewürdigt, z.B. mit Dede Allens „Front Credit“ für die Montage von Bonnie and Clyde (1967), dem ersten in der Geschichte Hollywoods.
Die australische Editorin Karen Pearlman hat sich seit vielen Jahren verdient gemacht in der Spurensuche der weiblichen „Hidden Stars“ am Schneidetisch. Gemeinsam mit ihrer deutschen Kollegin Angelika Lepper, die sich ebenfalls in mehreren Feldern für Gendergerechtigkeit engagiert, wird ein Streifzug durch die weiblich editorisch geprägte Filmgeschichte unternommen, Initiativen wie Su Friedrichs Archiv „Women Film Editors“ vorgestellt und gemeinsam mit dem Publikum diskutiert.
Die Veranstaltungssprache ist Englisch. Angelika Lepper ist live vor Ort, Karen Pearlman wird aus Sydney via Zoom teilnehmen.
Samstag, 12. Oktober 2024 | 15:30 Uhr
Filmforum im Museum Ludwig
Moderation: Kyra Scheurer
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Sichtbar werden, Anteil haben - Kämpfen für den Berufsstand
Gäste: Florian Duffe, Anna Kirst, Katharina Schmidt, Michael Schaerer
Das Podium richtet den Blick auf vergangene Errungenschaften und andauernde Herausforderungen, die mit der Verbands- und Netzwerkarbeit für Editor*innen im D-A-CH-Raum verknüpft sind und diskutiert, welche zusätzlichen Schwerpunkte durch neueste Entwicklungen, etwa durch KI oder Gesetzesnovellen anstehen.
Vorstandsmitglieder von BFS, aea und ssfv diskutieren die unterschiedlichen Regelungen, etwa im Urheberrecht, in den drei Ländern, die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Förderungen und politischen Gremien, ihre Anliegen im Einsatz für faire Arbeitsbedingungen und den gemeinsamen Kampf um die gesteigerte Sichtbarkeit der Gesichter hinter der „unsichtbaren Kunst“ des Filmschnitts. Welche Strukturen können Verbände wie verändern helfen, welche Verhandlungsstrategien waren erfolgreich, wo sind aber auch Grenzen gesetzt, z.B. bei Tarifverhandlungen im Vergleich zu Gewerkschaften? Wie wurde Wandel von Selbstwahrnehmung, etwa durch veränderte sprachliche Begriffe, angestoßen? Welche Auswirkungen haben Mehrsprachigkeit oder die Sammlung mehrerer Gewerke und Berufsbilder im gleichen Verband? Und wie gelingt es, junge Editor*innen dafür zu gewinnen, sich für den Berufsstand auch politisch zu engagieren?
Samstag, 12. Oktober 2024 | 16:30 Uhr
Filmforum im Museum Ludwig
Moderation: Kyra Scheurer
Tickets
Schnitte in Raum und Zeit
Gäste: Gabriele Voss, Selin Dettwiler, Barbara Hennings
Durch ihr Werk Schnitte in Raum und Zeit hat Gabriele Voss Anfang der Zweitausender Jahre gemeinsam mit anderen erfahrenen und erfolgreichen Editor*innen versucht, den gestalterischen Anteil der Montage an der Wesenheit des Films ins Bewusstsein zu rücken. Nichts weniger als die Frage, was Montage eigentlich ist, war Gegenstand dieser Arbeit: Wie weit darf ausgeholt werden, welche gestalterischen Fragen sind relevant, welche Details, wie findet man eine Haltung, woraus speisen sich intuitive Entscheidungen und wie beeinflusst kultureller Kontext Rhythmus und Wahrnehmung? Jenseits der üblichen Handbücher zur Montagetheorie und Schnitttechnik, wurde hier erstmals versucht, Dramaturgie und Gestaltung des Montageprozesses in den Fokus rücken. Spielerisch arbeitet dabei vor allem das Buch: Fragmente von Notizbüchern treffen auf Gespräche mit Neurowissenschaftlern und Philosophen, aus Einzelinterviews mit Editor*innen wird auf dem Papier eine Art „Roundtable-Dialog“ zu konkreten Themen montiert. Welche Einflüsse hat dieses Werk heute? Welche Überlegungen bleiben der Autorin, was stellt sich im Rückblick als Leerstelle dar? Wie gesehen fühlten sich die damaligen Interviewpartnerinnen und wie ist der Blick junger Generationen auf die Reflektionen der Schnitte in Raum und Zeit? Drei ganz besondere Editorinnen, jede in ihrer Zeit und ihrem Feld prägend für den Berufsstand, werfen gemeinsam einen Blick durch die Zeiten und in Räume von Montage und treten in Dialog mit dem Publikum.
Sonntag, 12. Oktober 2024 | 19:00 Uhr
Filmforum im Museum Ludwig
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